Kommentierung des VGH-Beschlusses
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- Veröffentlicht am Samstag, 15. Februar 2014 10:46
Der VGH-Beschluss vom 29.1.2014 stellt eine Ablehnung des Eilantrages des Vogelschutzvereins dar und bezieht sich auf die Eilbedürftigkeit der RP-Genehmigung. Dieser hatte den Sofortvollzug des Genehmigungsbescheides des RP Gießen vom 21.3.2013 beklagt. Sofortvollzug heißt, Bad Endbach kann innerhalb der Genehmigungsauflagen sofort anfangen zu bauen. Der VGH hat mit diesem Beschluss allerdings nur vorläufiges Baurecht geschaffen. Dieser Beschluss bezieht sich im wesentlichen auf den Genehmigungsbescheid des RP bis zum 21. 3. 2013. Alle nachfolgenden Ereignisse wurden bislang nur "oberflächlich" bewertet. So werden z. Zt. noch zwei Eilanträge des Vogelschutzvereins beim VGH abgearbeitet, die den Zeitraum zwischen dem Genehmigungsbescheid und dem VGH-Beschluss zum Gegenstand haben. Diese Eilanträge können zu einem neuerlichen Baustopp für Bad Endbach führen.
Im übrigen läuft nun das Hauptsacheverfahren an, d.h. "alle Uhren werden wieder auf Null gestellt" und bedeutet, dass das komplette Genehmigungsverfahren mit allen Eingaben des Vogelschutzvereins erneut auf den gerichtlichen Prüfstand gestellt wird. Im Ergebnis kann das Hauptsacheverfahren dazu führen, dass Bad Endbach alles bis dahin geschaffene wieder zurück bauen muss und den ursprünglichen Zustand wieder herstellen muss. D.h. Bad Endbach baut z.Zt. mit einem erhöhten Risiko.
Der VGH-Beschluss gibt also nur vorläufiges Baurecht - für ein Projekt, das
politisch massiv gewollt ist
und nun vorläufig
gerichtlich abgesegnet wird.
Im Folgenden bewerten wir den VGH-Beschluss inhaltlich:
Stellte der VGH Kassel in seinem am 16.3.2012 ausgefertigten Beschluss – damals noch mit dem NABU – die natur- und artenschutzrechtlichen Interessen für den Hilsberg noch als „höher gewichtig“ als die wirtschaftlichen Interessen Bad Endbachs heraus, so sieht der VGH Beschluss vom 29.1.2014 gänzlich anders aus, nämlich …
- dass ein ‚besonderes öffentliches Interesse‘ aus dem EEG erwächst zur Förderung regenerativer Energien und des Klimaschutzes durch zeitnahe Errichtung von Windenergieanlagen. Eine Verzögerung der Inbetriebnahme wegen sinkender Einspeisevergütungen hätte ein finanzielles Desaster für Bad Endbach (Schäfer an den VGH) zur Folge.
- Weiter sei das berechtigte Interesse der Gemeinde Bad Endbachs gegeben, noch in 2014 die zurzeit bestehende hohe Einspeisevergütung für die nächsten 20 Jahre zu bekommen.
- Die vom Vogelschutzverein geltend gemachten artenschutzrechtlichen Bedenken sind in diesem Zusammenhang ohne Belang!!
Damit werden die Argumente in einem artenschutzrechtlich durchgeführten Klageverfahren mit wirtschaftlichen und besonderen öffentlichen Interessen ausgehebelt. Artenschutz wird den wirtschaftlichen Interessen untergeordnet!!
Außerdem ist es schon sehr bedenklich, wenn in Kassel so entschieden wird, obwohl in Berlin Gesetze auf den Weg gebracht werden sollen, die gerade diese EEG-Kosten senken sollen.
Im Folgenden stellen wir die artenschutzrechtlichen Argumente des Vogelschutzvereins denen des VGH Kassel gegenüber:
Wildkatze
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Das Wildkatzenvorkommen wurde bewertet durch die Dipl. Biologin Sylvia Menzel und bestätigt durch Bilddokumente des Jagdpächters. Frau Menzel erläutert den Korridor zum Vorkommen dieser Art im Bereich Dusenberg (Herzhausen) – Hilsberg – Schelder Wald, weiter die Störungsempfindlichkeit der Wildkatze während der Bauzeit und durch den Betrieb der Windkraft-Anlagen. Bei der Planungen anderer Anlagen (Kalt Eiche in NRW) durften während der empfindlichen Paarungszeit (Januar - Februar) keine Bauarbeiten stattfinden. |
Es gibt keine wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Empfindlichkeit der Wildkatze im Zusammenhang mit Windkraft-Anlagen. Die Sichtungen der Jagdpächter sind vage und nicht überzeugend dargestellt. Außerdem sind diese Eingaben erst in letzter Instanz vorgebracht worden, nach Erteilung der BImSch-Genehmigung am 21.03.2013. Nach Einschätzung des Büros Gall, als artenschutzrechtlicher Gutachter der Gemeinde Bad Endbach dürfte es am Hilsberg kein Wildkatzenvorkommen geben. |
Zu der Einschätzung des Büro Gall sei angemerkt, dass nach nur 1-wöchiger Aufhängung einer Wildkamera 120 m neben WEA 4 am 27. Januar 2014 dieses Bild erfasst wurde:
Die Wildbiologin Sylvia Mentzel, die sich auf diese seltenen Tiere spezialisiert hat, äußerte sich dergestalt, dass die Streichgebiete und Nahrungshabitate der Wildkatze ein hervorragendes Anzeichen dafür sind, dass diese Regionen noch 100%-ig intakt sind. 2 Tage später nach dieser Aufnahme wird diese Region in ein Industriegebiet (Wind"park") umgewandelt.
Rotmilan
Vogelschutzverein |
VGH Kassel |
Im Jahre 2012 wurden durch Erich Sänger und Otto Lixfeld eidesstattlich erklärt, dass im Bereich der geplanten WEA 4 ein Rotmilanpaar durch Revier – und Horstanzeige seinen Horstplatz angeflogen hatte und mit der Ausschmückung des Horstes begann. Durch massive Störungen wurde das Brutvorhaben aufgegeben. In 900 m Entfernung brütete das Paar dann erfolgreich. Die Flugbewegungen (Flugraumanalyse) war logischerweise dann in diesem Bereich. 2013 begann ein Brutpaar im Zentrum der geplanten Anlagen, also zu allen Anlagen innerhalb 1 000 m, mit dem Brutgeschäft. 1 000 m ist die Tabuzone lt. der Vogelschutzwarten Deutschlands, in der keine WEA gebaut werden sollen. Marc Sänger konnte Balz, Eintragen von Nistmaterial sowie die Paarung beobachten und bestätigen. Das Bebrüten des Geleges wurde von Marc Sänger, Erich Sänger und Otto Lixfeld eidesstattlich bestätigt. Durch diese Feststellung wäre der Bau der Anlagen praktisch unmöglich geworden. |
Diese Eingabe aus 2013 verhilft nicht zum Erfolg. Die Bewertung wurde in 2012 abgeschlossen. Balz, Paarung und Nestbau wurden erst im April gemeldet, also erst nach dem 21.03.2013, dem Termin der BImSch-Genehmigung. Das Büro Gall, als sachverständiges Büro, hat zwar den Rotmilan am 7. Mai 2013 bestätigt, aber bei zwei Kontrollen im Juni nicht mehr angetroffen. |
Zu dieser Einschätzung sei angemerkt,
dass der gleiche VGH mit den gleichen Richtern am 17.12.2013 mit unseren Argumenten (Rotmilan) den Bau von WEA in Nentershausen abgelehnt hat; nur mit dem Unterschied, dass das RP Kassel und das VG in Kassel bereits den Antrag eines Betreibers wegen des Vorhandenseins des Rotmilan abgelehnt hatte. Hier wurden sogar die Flugbewegungen (Flugraumanalyse) bis zu 6000 m berücksichtigt und bewertet.
In unserem Fall ist es gerade umgekehrt, hier hat das RP Gießen und das VG Gießen den Antrag der Gemeinde Bad Endbach zum Bau von WEA genehmigt und dagegen hat der Vogelschutzverein Holzhausen/Hünstein e.V. geklagt.
Hätte der VGH in Kassel unsere Argumente mit dem Rotmilan ebenso bewertet wie in Nentershausen, dann wäre der Beschluss positiv für uns ausgefallen. Das RP in Gießen hatte also eine Genehmigung erteilt, die nicht rechtens war und das durfte nach meiner Einschätzung nicht sein.
Haselhuhn
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Das Haselhuhn wurde in den Jahren davor schon von Otto Lixfeld bestätigt, (Altvogel mit Küken) Huderpfannen und Kot wurden gefunden und der Vogelschutzwarte in Frankfurt gemeldet. 2012 wurde bei einer Hundesuche speziell ausgerichtet auf das Haselhuhn durch das Purren - Geräusch beim Auffliegen - das Haselhuhn bestätigt. Ebenso hat Prof. Dr. Kraft wiederholt das Haselhuhn am Hilsberg verhört. |
Die Angaben von Prof. Dr. Kraft und Lixfeld sind relativ unsicher und können nicht als konkret angesehen werden. Es fehlen bildliche Belege, Huderpfannen, Kot und der optische Nachweis. Das Büro Gall hat hinreichend untersucht und kein Vorkommen festgestellt. |
Ziegenmelker
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Der Ziegenmelker wurde von Patrick und Marc Sänger sowie Klaus Gillmann und Jannek Kibat in 2012 innerhalb von 5 Tagen mehrmals rufend bestätigt. Lt. Methodenstandard zur Erfassung von Brutvögel in Deutschland kann man bei einem zweimaligen Verhören innerhalb einer Woche von einem Brutgeschehen ausgehen. |
Das Büro Gall als sachverständiges Büro schließt ein Vorkommen des Ziegenmelkers aus. Es liegen keine belastbaren Beweise wie Sichtbeobachtungen vor.
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Raubwürger
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Laut Erich Sänger (Kreisvertrauensmann der Vogelschutzwarte Frankfurt) hat der Raubwürger 2008 sicher am Hilsberg gebrütet und danach wechselseitig am Flugplatz und Hilsberg. |
In diesem Fall treten keine artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände ein. Außerdem wird die Art nicht als windkraftsensibel eingestuft. |
Rauhfußkauz
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Diese Art wurde von uns und auch vom Büro Gall am Hilsberg als Brutvogel bestätigt.
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Negative Rückwirkungen werden nicht ausgeschlossen. Aber durch CEF Maßnahmen (künstliche Nisthilfen) werden dieser Art außerhalb der Anlagen neue Brutmöglichkeiten angeboten. |
Uhu
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Der Uhu hat in 2012 erfolgreich im Bereich Hilsberg gebrütet. 2013 kam keine Brut zustande. Die Brut 2012 wurde eidesstattlich von Erich Sänger, Marc Sänger und Otto Lixfeld bestätigt. Der Uhu-Brutplatz befindet sich innerhalb der 1000 m Tabuzone zu allen Anlagen, in der lt. der Vogelschutzwarten Deutschlands keine Windräder gebaut werden sollen. Um zu seinem Nahrungsgebiet (Bottenhorner Wiesen) zu kommen, muss er den Bereich der Anlagen durchfliegen und hier besteht ein erhöhtes Todesrisiko. Er wird geschreddert. |
Um die Höhenkuppe Hilsberg zu überfliegen, wird der Uhu unterhalb von 85 m fliegen, und somit nicht in den Gefahrenbereich der Rotoren kommen, so lt. Einschätzung des Büros Gall. Außerdem sind CEF Maßnahmen (Erdverkabelung) der Oberleitung geplant. Was den 1000 m Abstand vom Brutgebiet zu den WEA lt. Vogelschutzwarten betrifft, handelt es sich nicht um eine absolute Tabuzone, sondern um eine Empfehlung. |
Schwarzstorch
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Innerhalb der 3000 m vom Brutplatz zu den WEA lt. Vogelschutzwarten hat der Schwarzstorch in 2012 einen Horst gebaut. Dieser Horst wurde von einem sachkundigen Kartierer der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz kartiert und von Carsten Rhode, einem deutschlandweit bekannten Schwarzstorchkenner, als Schwarzstorchhorst bestätigt. Von uns wurden in 2012 und 2013 wiederholt Einflüge in das Horstgebiet bestätigt und ordnungsgemäß der Vogelschutzwarte und der oberen Naturschutzbehörde gemeldet. |
Dem Sachverständigen Büro Gall wurde bei einer Datenabfrage bei der Vogelschutzwarte kein Schwarzstorchhorst in diesem Gebiet bestätigt. Außerdem genügt die Einschätzung von Carsten Rhode nicht, weil wie schon angemerkt, der Vogelschutzwarte diesbezüglich kein Horst bekannt war. Lt. Funktionsraumanalyse konnten keine Überflüge über den Hilsberg festgestellt werden. Somit besteht keine Gefahr für den Schwarzstorch. |
Kraniche
Vogelschutzverein
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VGH Kassel
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Über den Hilsberg besteht schon eine seit langem bekannte Flugroute der Kraniche. Die Vögel kommen aus N/O steigen aus dem Kessel Holzhausens in der Thermik nach oben und überfliegen nach S/W den Hilsberg. Die geplanten WEA stehen quer zur Flugrichtung und werden somit zur Barriere. Erst im Herbst 2013 überflogen an einem Tag über 20.000 Kraniche den Hilsberg. Laut Meldung der Flugsicherung Bottenhorn flogen die Tiere unterhalb von 200 m. Das konnte durch geeichte Höhenmesser bestätigt werden. Außerdem war klares Wetter und gute Sicht. |
Bei Kranichen besteht ein geringes Kollisionsrisiko. Die WEA mit 186 m Gesamthöhe liegen in den meisten Fällen unter den relevanten Flughöhen der Kraniche. Nur bei ungünstigem Wetter sind die Flughöhen niedriger. Die von der Flugsicherung Bottenhorn gemessenen Flughöhen sind nicht hinreichend substantiiert ermittelt worden und somit nicht relevant.
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Download: VGH-Beschluss vom 29. Jan 2014 (7 MB)