Standpunkte

Am 29. März schrieb ein Mitglied unserer BI folgenden Brief an Prof. Dr. Fritz Vahrenholt nach einer Talksendung im Hess. Fernsehen:


Betr.: HR 3-Sendung „Teure Energiewende“

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Vahrenholt,

zunächst möchte ich mich kurz vorstellen. Ich bin Mitglied der Bürgerinitiative Holzhausen, Landkreis-Marburg-Biedenkopf  (Hessen).

In unserem Dorf wohnen ca. 2 100 Bürger, davon gehören 1300 der Bürgerinitiative an. Die Bürgerinitiative wurde gegründet, weil der Nachbarort Bad Endbach in unserer unmittelbarer Nähe (ca. 1000 bis 1500 m) einen industriellen Windpark von 5 und noch weiter geplanten Windräder  (Typ Enercon E 101)in ein hochwertiges Waldgebiet bauen will. Politisch soll dieses Projekt vom Landrat Marburg-Biedenkopf und Regierungspräsidium Gießen ohne Wenn und Aber durchgedrückt werden. Wir wurden über das Vorhaben nicht aufgeklärt, sondern wurden nachdem schon die Planung fertig war durch die Presse informiert. Soweit in Kürze die Datenlage.
Gestern, am 28.03.12 habe ich um 21:45 in HR 3 die Sendung „Teure Energiewende“ gesehen. Ich bin erstaunt, über die Äußerungen von Frau Scheel und Frau Prof.Dr. Kemfert wie bedingungslos die ökologische Energiewende betrieben werden soll. Übrigens hat das HR3-Fernsehen über unsere Windparkproblematik ebenfalls eine Reportage ausgestrahlt.
Es braucht heutzutage Mut sich kritisch mit der Energiewende auseinanderzusetzen, den Landschaftsschutz in den Focus zu stellen, und auf die unübersehbaren Folgen einer hemmungslosen Waldvernichtung aufmerksam zu machen.
Vielen Dank, dass Sie in der Öffentlichkeit die ökologische Wende auch einmal einschränkend betrachten. Sicher brauchen wir erneuerbare Energien, aber mit Augenmaß und  ökologischer Umsicht.
Holzhausen liegt sehr idyllisch in einem Tal von bewaldeten Höhenzügen umgeben (Misch- und Buchenwald). Das jetzt als Industriezone für Windkraft  im Wald ausgewiesene Gebiet (Hilsberg) war vorher Ausschlussgebiet für industrielle Zwecke. Es wurde als Naturlandschaft Lahn-Dill-Bergland eingestuft und dafür finanziell gefördert, es war als avifaunistischer Schwerpunktraum ausgewiesen. Durchfahrt verboten galt für Autos, Mountainbikes u. ä.
Unser Landrat gehört mit zu den Vorreitern der erneuerbaren Energien. Soweit in Ordnung.
Dann kommen aber politisch gesteuert Windhöffigkeitskarten ins Spiel und der Wind weht nunmal mehr auf den Höhenzügen als sonst irgendwo. Grund genug für die Ertragsoptimierung diese windgünstigsten Waldstandorte kompromisslos festzulegen. Jetzt beginnt der Frevel. 100 Jahre alte Buchen müssen weichen, Verdichtung des gesunden Waldbodens mit den dazugehörenden Kleintieren ist zu erwarten. Tiere verlieren ihre angestammte Heimat. Artenvielfalt wird systematisch zerstört usw. Uns liegen 2 ornithologische Gutachten mit einer großen Artenvielfalt vor, auch artengeschützte Tiere befinden sich in unserem Wald. C. 35 000 qm Waldfläche sollen sinnlos geopfert werden.

An dieser Stelle nochmals danke für ihren öffentlichen Auftritt, in dem sie sich in einer isolierten Position für grundlegenden Naturschutz stark gemacht haben.

Unser Stand heute:
Die BI Holzhausen hat inzw. erreicht, dass bis zum  1. Juli 2012 nicht weiter gerodet werden darf, ca. 40 Bäume (dicke Buchen) wurden bereits gefällt. Eine einstweilige Verfügung vom VGH Kassel hat eine weitere Rodung untersagt. Die NABU wird für uns weiter klagen.

Wir sind natürlich nicht sicher, ob diese Klage erfolgreich sein wird. Das wirtschaftliche Interesse         (hier geht es um Millionenbeträge) und die politisch absolut gewollte Umsetzung dieses industriellen  Windparkes sind so übermächtig, dass oft Zweifel aufkommen. Wir werden aber weiter  für den Erhalt dieser Naturlandschaft kämpfen.

Meine große Bitte an Sie!

Legen Sie diesen Brief nicht einfach so zur Seite. Versuchen Sie gedanklich uns zu begleiten.
Die Energiewende ist am Anfang und sie darf nicht kompromisslos tun und lassen was sie will.
Wir brauchen jede Unterstützung. Wir sind Ihnen sehr dankbar für jegliche Anregung, bzw. Hilfestellung, Mittel und Wege zu finden, die zum Erfolg unseres Klageverfahrens führen könnten.
Es wäre ein Erfolg für die Natur.
 
Wir laden Sie herzlich ein, unser Dorf mal kennenzulernen. Auch wenn ich weiß, dass diese Einladung ein bisschen vermessen ist, spreche ich sie trotzdem aus. Sie haben sicher Wichtigeres zu tun.

Der Bericht ist eine Kurzfassung. Weitere Informationen auf unserer Internetseite
„Bi-holzhausen.de“ geben einen größeren Überblick über die gesamte Situation.

Vielen, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .Ich hoffe auf eine Rückmeldung!

Mit freundlichen Grüße


H. Rohmann-Jurkat


Herr Prof. Dr. Vahrenholt hat uns erlaubt, seine Antwort hier zu veröffentlichen:


Sehr geehrte Frau Rohmann-Jurkat,
 
ich  möchte  vorausschicken,  dass  ich  mich  in  meiner  aktiven  Zeit  in  Politik  und  Wirtschaft  für  den Ausbau der Erneuerbaren Energien eingesetzt habe.
Doch was nunmehr unter dem Fanal des Klimaschutzes passiert, hat mitunter mit Nachhaltigkeit nicht mehr viel zu tun.  
 
Wir  importieren  mittlerweile  Weizen  aus  anderen  Ländern,  weil  wir  hierzulande  Biosprit  aus  Weizen machen. Wir nutzen mittlerweile 20% der landwirtschaftlichen Flächen zu energetischen Zwecken, die Vermaisung  der  Landschaft  macht  keinen  Halt  vor  artenreichen  Räumen.  Wir  bauen  Photovoltaik  in einem  Land,  dass  eine  Sonneneinstrahlung  vergleichsweise  der  von  Alaska  aufweist.  Und  wir scheuen  uns  nicht,  den  Wald  anzugreifen,  um  in  ihm –oder  sogar  anstatt  ihm-  Windraftwerke  zu platzieren (siehe www.kaltesonne.de).
 
Ich bin ein Veteran der Windindustrie, doch die Erlasse zur Windnutzung in den Wäldern von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg gehen zu weit.  
 
Wer Windkraftwerke in einem Wald platziert, benötigt 7m breite, befestigte Zufahrtsstraßen und jedes Windkraftwerk  braucht  eine  Manöverfläche  von  2-3  Hektar  um  die  Anlage  zur  Errichtung  des  Krans. Das passiert dann zulässigerweise alle 500m und der Wald ist in seiner Artenvielfalt gefährdet.
 
Die  Fledermäuse  sind  kluge  Tiere.  Sie  fliegen  mittels  ihres  Radars  durch  die  Flügel  und  fallen  tot hinter dem Flügel herunter, weil der Druckluftunterschied ihre Lungen  zum platzen bringt. Dem roten Milan und anderen Vögeln ergeht es anders aber nicht besser.
 
Das alles toleriert die deutsche Politik, weil wir uns einer angstgetriebenen Politik verschrieben haben. Daher habe ich das Buch „Die kalte Sonne“ geschrieben, mit der wichtigen Aussage, dass es nicht zu einer  katastrophalen  Erwärmung  kommt,  sondern  die  Sonne  uns  eine  lange  Zeit  der  Abkühlung beschert.  Die  Sonne  gibt  uns  also  Zeit,  unser  Energieversorgungssystem  mit  Vernunft  und  Umsicht umzugestalten, ohne die Natur zu zerstören.
 
Mit freundlichem Gruß
 
 
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt


Der Antwortbrief im Original. Wer Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist, siehe z.B. Wikipedia.